Die perfekte Welle

und ihre Helden

Mit seinem Rettungsbrett surft Uwe Drath 1952 die ersten Wellen vor Sylt
© Archiv Drath

Was hatte auf Sylt vor 72 Jahren seinen Ursprung und ist weit über die Inselgrenzen hinausgeschwappt? Genau: das Surfen. Mit einem Flirt-Move von Rettungsschwimmer Uwe Drath begann das Wellenreiten in Deutschland. Der Sylter wollte eine junge Frau auf der Westerländer Promenade beeindrucken. So ritt er eine Welle auf seinem Rettungsbrett bis an den Strand.

Sein Beispiel machte Schule und andere Sylter Rettungsschwimmer wie Uwe Behrens und Falk Eitner taten es ihm nach. Bevor die Helden des noch jungen Sports ihr Material professionalisierten und sich in Biarritz mit Boards, Neopren-Anzügen und Inspiration versorgten, nahm man mit dem Vorlieb, was es gab: ewig lange Rettungsbretter ohne Finne, schwere Tauchanzüge und viel Expertise im Umgang mit der Nordsee. Die Ursprünge der Surf- und Strandkultur und ihre Helden der 50er bis 70er Jahre sind jetzt Gegenstand einer multimedialen Ausstellung im Sylt Museum in Keitum - initiiert von den beiden Syltern Angelo Schmitt und Dennis Bullen.

 

 

Pioniere des Wellenreitens

Originale vom Scheitel bis zur Sohle

Uwe Behrens

„Eine Welle zu reiten ist eins der höchsten Gefühle."

 

Uwe Behrens ist der zweitjüngste von fünf Brüdern, die zwischen 1937 und 1942 in Westerland geboren wurden. Der Älteste und der Jüngste der legendären Behrens-Brothers sind bereits verstorben. Das Trio Dieter, Konrad und Uwe trifft man im Sommer fast täglich an der „Buhne 16". Denn Dieter und Konrad sind die Gründerväter des Strandlokals. Uwe hat als Koch in der Nordseeklinik gearbeitet. Jede freie Minute brachte er sein Know-how mit in den Familienbetrieb ein. Wenn er nicht arbeitete, war und ist er auf dem Wasser. Entweder mit dem Boot auf Makrelen- oder mit dem Surfbrett auf Wellenjagd. Mit seinem Stil hat er Generationen von Sylter Wellenreitern inspiriert.

Falk Eitner

„Die ganz große Freiheit lag überall."

 

Wirklich wahre Kampen-Geschichten gefällig? Bei Bedarf sollte man unbedingt eine Tour durch das Dorf mit Falk Eitner (geb. 1942) buchen. Seine Spaziergänge sind amüsant und haben Tiefgang. Der Kapitän verbrachte ein Großteil seines Lebens in Kampen und auf den Weltmeeren. Als junger Mann erlebte er Abenteuer auf „großer Fahrt“, kam im Sommer zurück auf seine Heimatinsel, arbeitete als Rettungsschwimmer in Rantum und Kampen und gehörte in den 60er Jahren zu den Wellenreitern der ersten Stunde. Nach 25 Jahren auf hoher See wurde er sesshaft und war bis zu seiner Pensionierung Fährkapitän zwischen List und Havneby.

Sylter mit Vision

Im Gespräch mit Angelo Schmitt und Dennis Bullen

Der erste Meilenstein auf dem Weg zu einem Sylter Surf- und Rettungsschwimmer-Museum ist getan: Mit der Ausstellung „LSF52 Surf + Strand Kultur Sylt“ schufen die Sylter Angelo Schmitt und Dennis Bullen ein Must-see der Saison. Dort sorgen die Zwei in enger Zusammenarbeit mit Museumsleiter Alexander Römer für spannende Erkenntnisse über die Ursprünge einer Kultur, die auf Sylt inzwischen eine vierte Generation begeistert und für viele Sylter Locals identitätsstiftend ist.

 

 

Beschreibt mal, auf welche Art Euch der Sylter Strand und der entsprechende Lifestyle geprägt haben?

Dennis Bullen: Die Sylter Natur, Strand, Meer und Gezeiten sind, ich glaube da kann ich für uns beide sprechen, Kompass und Kraftquelle. Das Strandleben unserer Kindheit und Jugend hat unsere Leben extrem beeinflusst. Der Westerländer Strandabschnitt „Oase“ war für mich wie ein Zuhause. Meine Mutter, mein Stiefvater und ich haben dort im Sommerhalbjahr mehr oder weniger ununterbrochen gelebt, mein Stiefvater war dort Rettungsschwimmer. Der Rhythmus der Natur und all das, was man über den Sylter Strand wissen muss, ist mir dadurch in Fleisch und Blut übergegangen. Surfen und Skaten spielte für mich eine riesige Rolle. Im Winter waren wir dann an den Surfspots des Baskenlandes unterwegs.

Angelo Schmitt: Meine Eltern pflegten in den 70er und 80er Jahren auch einen extrem unkonventionellen Lifestyle - ziemlich hippiesk war es bei uns. Ich war mit meiner Familie sogar als kleiner Junge schon ganz klischeegemäß an die Küsten Indiens unterwegs. Als Jugendlicher wurde für mich der Sylter Strand, Wellenreiten und Skaten Lebensinhalt. Die Rettungsschwimmer und älteren Jugendlichen, wie Markus Mager oder Tom Knuth, die einfach damals schon legendär gut performten, waren meine Vorbilder. Eine Ehre, wenn man mit ihnen zusammen auf dem Wasser war oder auf selbstgebauten Rampen geskatet ist. Ich habe jahrelang als Rettungsschwimmer gearbeitet, habe aber meine eigenen Werte und einen Lebensstil gefunden, der bei weiten nicht so exzentrisch war wie der meiner Eltern.

Dennis, Du hast früh entschieden, dass Du erstmal lange und weit weg musst, bevor Du wiederkommen kannst ...

Dennis: Ja, das stimmt. Ich musste erst einmal weg, um dann neu auf die Insel blicken zu können. Ich habe nach dem Abi an der „Duborg-Skolen" in Flensburg, in Århus und in Australien studiert und einen Master für „Experience Economy“ gemacht. In meinem Studium habe ich dann auch erstmals ein Konzept für ein Sylter Rettungsschwimmermuseum entwickelt, um zu zeigen, wie wichtig sie für die Sylter Strandkultur waren und sind.

Die Surfszene umwehte immer ein Hauch von Abenteuer, Freiheit und großer Verbundenheit mit der Insel. Ist das heute noch so?

Dennis: Vielleicht nicht mehr in der Reinkultur wie in den 50er bis in die späten 90er Jahren. Aber auch heute gibt es diese wunderbare Dynamik: Die Älteren inspirieren die Jüngeren - mit ihrem Wissen über die Natur, mit ihrem Können auf dem Wasser, aber auch mit ihrem Lifestyle. Erlebnisse auf dem Meer verbinden, schaffen Identität. Der Surfspirit ist inzwischen ein Wirtschaftsfaktor, aber auf Sylt konnte sich die Strandkultur noch etwas Ursprüngliches und Einzigartiges bewahren. Auf der Eröffnung der Ausstellung war das deutlich zu spüren. Es kamen Menschen der unterschiedlichsten Generationen zusammen, die solche offiziellen Termine eigentlich meiden. Es war ihnen aber offenbar wichtig zu kommen, weil sie sich wohl mit dieser Ausstellung identifizieren können. Das zu erleben, war für Angelo und mich das schönste Geschenk.

 „Was Sylt wirklich sexy macht? Der Surfspirit!"

Ein Denkmal für die Sylter Surf- und Strandkultur

 „Die Sylter Natur, Strand, Meer und Gezeiten sind Kompass und Kraftquelle. Das Strandleben unserer Kindheit und Jugend hat unsere Leben extrem beeinflusst."

Dennis Bullen (Jahrgang 1983) ist Inselkind durch und durch. Überzeugter Sylter. Aber keiner von der Sorte, der das bunte Treiben auf der Heimatinsel ausschließlich durch die rosarote Brille betrachtet. Er hat die Welt gesehen, in Dänemark und Australien gelebt und studiert, ist vor ein paar Jahren zurückgekommen. Durch die Erfahrungen außerhalb des Inselkosmoses konnte er sich diesen unaufgeregten, weiten Horizont bewahren. 

„Auf jeden Fall ist es höchste Zeit, einmal zu dokumentieren, was Sylt in seinen Grundfesten ausmacht und was hier seinen Ursprung hatte."

Vergleichbare Tugenden besitzt Angelo Schmitt (Jahrgang 1973). Der Unternehmer, Künstler, Surflehrer, Aktivist für Umwelt, Jugend und Sport ist quasi die fleischgewordene Sylter Strandkultur. Vor zwei Jahrzehnten war er ein großes Vorbild für Dennis. Heute realisieren die beiden ein Projekt, das ihnen schon lange am Herzen liegt: Eine multimediale, lebendige und vielschichtige Hommage an die Helden der Surfkultur, die die Insel prägte wie kaum etwas anderes.

Interview - Part 2

Wie kamt Ihr auf die Idee mit dem Museum?

Angelo: Überall auf der Welt gibt es Strand- und Surfmuseen. Denn diese Lebensart der Locals, die am Strand große Teile ihres Lebens verbringen, inspiriert viele Menschen, bestimmt die Identität von Küstenorten, macht sie zu Sehnsuchtsplätzen. Surfenden Menschen, insbesondere Syltern, liegt es meistens aber nicht so, viel über sich selbst und ihren Lifestyle zu sprechen. Deshalb liest und erfährt man auf Sylt wohl auch viel mehr über Spitzenköche als über die Menschen, die am Strand und auf dem Wasser leben und arbeiten.

Dennis: Stimmt. Die Skate- und Surfszene auf Sylt ist eine Community, die ohne große Worte auskommt. Sylter Friesen haben eine angeborene Skepsis gegenüber Offiziellem. Wunderbar, dass es auf Sylt trotzdem schon in den 70er Jahren einen ersten Surfclub gab und heute am Brandenburger Strand ein Clubhaus, um den Nachwuchs zu fördern. 20 Jahre nach der ersten Idee wird jetzt wohl auch endlich der Plan vom „Multipark" Wirklichkeit. Wir brauchen authentische Orte der Begegnung. 

Angelo: Es war höchste Zeit zu dokumentieren, was Sylt in seinen Grundfesten ausmacht und was hier seinen Ursprung hatte. Es gab ja schon das Museumskonzept von Dennis, das wir gemeinsam weiterentwickelt und dann im Sport-, Jugend- und Kulturausschuss der Gemeinde Sylt vorgestellt haben. Museumsleiter Alexander Römer hat das sofort verstanden und sich für die Ausstellung stark gemacht  - als ersten Step zu einem Museum.

Ich hatte einen wunderbaren Fundus an alten Brettern, Requisiten und Exponaten aus der frühen Zeit des Rettungsschwimmens und Surfens. Außerdem haben wir im Sylter Archiv großartiges Originalmaterial gefunden. Zudem kennen wir natürlich alle Helden jener Zeit persönlich. Unsere Ausstellung lebt von Filmen und Interviews, die wir mit den „Jungs“  von der „Buhne 16“  (= die Behrens-Brüder, Gründer des Strandlokals und Surf-Pioniere), mit dem Sohn des Surf-Pioniers Uwe Draht, mit Kapitän und Ex-Rettungsschwimmer Falk Eitner und vielen anderen geführt haben.

Making-of-Interview im Surf Club Sylt
© Angelo Schmitt
  • Wo passender als im Surf Club Sylt hätten die Interviews für die Ausstellung stattfinden können? Hier im Bild die ehemaligen Rettungsschwimmer Falk Eitner (links) und Gaston Surtmann.

„Gruselig schön"

Die Legenden der Sylter Surfkultur über Wellen, Surfen und das höchste aller Gefühle

Wenn sie von ihrer aktiven Zeit am Strand erzählen, ist es mucksmäuschen still im Raum. Die Rettungsschwimmer-Clique um Uwe Behrens und Falk Eitner und mit ihnen viele andere blicken zurück auf die Anfänge der Surf- und Strandkultur. Fotograf und Filmer Louie Angenendt hat aus ihren Erinnungen Worte und Bilder für die Ewigkeit gemacht.

„Ach die schon wieder. Das haben die Leute sicher gesagt, weil wir ja schon so wild aussahen."

Falk Eitner

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    „Wenn Du da auf dem Brett stehst. Das Gefühl der Überlegenheit, wenn Du die Welle gekriegt hast ... ." (Walter Viereck)

  • „Uns haben die Wellen fasziniert und der Lärm, den sie gemacht haben über der Stadt. Unglaublich. Vor allem, weil kein Wind war, total ruhig, nur das Rauschen und das Schlagen der Wellen war zu hören. Schön. Gruselig schön." (Uwe Behrens)

Interview - Part 3

Hattet ihr bei der Umsetzung Eurer Ausstellungsidee viel Unterstützung?

Dennis: Die Sylt Marketing unterstützt das Projekt logistisch und hat den Fotografen und Filmer Louie Angenendt finanziert, mit dem Angelo und ich schon vorher diverse Projekte realisiert haben.

Angelo: Für die Ausstellung haben z.B. die Tischler der Gemeinde Kampen eine Original-Rettungsschwimmerkarre gebaut, in der man die Filme und Interviews anschauen kann. Damit hat Kampen das Projekt gesponsert. Und so gibt es etliche Unterstützer, wie „Hafen 9", „Samoa Seepferdchen", „Inselkind" oder „Buhne 16", die sich für die Vision begeistert haben. 

Die Ausstellung im „Sylt Museum“ ist ein Probelauf für Euer Museumsprojekt. Alexander Römer, der bei der „Sölring Foriining“ (= Sylter Verein) alle Museen leitet und Ausstellungen kuratiert, hat Euch mit Rat, Tat und seinem Sachverstand unterstützt.

Angelo: Dafür sind wir total dankbar. Für die Ausstellung steht uns ein Raum im Museum zur Verfügung. Darin beschränken wir uns auf die ersten drei Jahrzehnte des Wellenreitens auf Sylt. 

Der eigentliche Anfang der Surferei war ja schon im 12. Jahrhundert - das belegt Höhlenmalerei in Polynesien. Dann kam das Ganze im 18. Jahrhundert nach Hawaii, fand aber erst viel später Verbreitung an allen Küsten. Wir auf Sylt steigen dann erst 1952 ein. Noch bevor Sylter wie die Behrens-Brüder oder Jürgen Hönscheid die ersten richtigen Bretter aus Biarritz und den USA nach Sylt exportierten und später ihre Boards auch selbst bauten, hatten wir halt Rettungsschwimmer Uwe Drath, der im Sommer 1952 mit seinen eigenen Worten „einem Kurschatten auf der Promenade schöne Augen machen wollte“. Er schnappte sich sein ewig langes Rettungsbrett ohne Finne, Leash oder einer konkreten Vorstellung von dem, was er da vorhatte, paddelte raus, bekam eine Welle und surfte ans Ufer. Das und alles, was danach geschah, erlebt ihr in der Ausstellung.

Bei der Eröffnung waren fast alle der Sylter Pioniere persönlich in Keitum dabei.

Dennis: Ja, die Legenden und alle anderen surfenden Generationen und deren Sympathisanten kamen auch. Es war wie ein großes Familientreffen. Ein Moment der Einmaligkeit, bedeutsam, mit reichlich Magie. Auch das Feedback war sehr berührend - wir hatten natürlich gehofft, dass es so werden würde - aber wissen kann man das ja nie.

 

  • Interview: Imke Wein

  • Dieses Interview wurde an einem „very special place“ geführt: In den verlassenen Hallen des „Kaufhaus Stolz“ ermöglicht Angelo Schmitt, Rollsport begeisterten Jugendlichen sich zu treffen und ihrem Sport nachzugehen. Das Areal gehört der Firma „Lidl“, die hier neu bauen wird. Bis dahin hat das Unternehmen jedoch das Gebäude gratis für die Sylter Jugendarbeit zur Verfügung gestellt.

Kurz & Knapp

Die Ausstellung

Die Ausstellung LSF52 Surf + Strand Kultur Syltblickt auf die faszinierende Geschichte des Surfens, beschränkt sich dabei aber zunächst auf die 50er, 60er und 70er Jahre. „LSF52“ bietet keinen Schutz vor Sonnenbrand, dafür aber einen reichen Fundus an Requisiten und Exponaten. Zu den Exponaten gehören Boards und Surf-Equipment ebenso wie Rettungsgeräte und -ausrüstung wie Tröten und Leinen. Dazu kommen Interviews mit den Surfpionieren sowie Fotos und „Super 8“-Aufnahmen aus privaten Sammlungen und aus dem Sylter Archiv. 

Männer stehen mit ihren Longboards am Strand von Kampen. © Archiv Eitner
  • 5. Mai 2024 bis 5. Januar 2025

  • Sylt Museum, Am Kliff 19, Keitum

  • Eintritt: 6 Euro (mit Gästekarte), Kinder 2,50 Euro

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