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Der Sylter Erzählstein

Auf einen Schnack mit Initiatorin und Märchenexpertin Katja Hausmann

Westerland auf Sylt, es sind 19 Grad Celsius, sommerliche Bedingungen, zumindest für Inselverhältnisse. Der Himmel strahlt in feinen Blautönen, nur ein paar kleine Wölkchen zieren den Horizont. Es gibt viele Menschen, die genau diese Jahreszeit lieben und schätzen, die milden Temperaturen, begleitet von einer erfrischenden Nordseebrise, mit allen Sinnen aufsaugen. Katja Hausmann ist eine von diesen Personen, die jetzt am liebsten vor Ort wären, eine Runde am Strand spazieren und die Natur genießen würden. Die gebürtige Cronenbergerin ist zwar in diesem Moment physisch nicht auf der Insel, gedanklich jedoch steht sie mit beiden Beinen fest auf dem Podest des Westerländer Strandübergangs an der Nordseeklinik. Vor ihr erstreckt sich die See, neben ihr thront ein üppiger Stein mit einem QR-Code. Über ihm erstreckt sich ein Schild mit dem Namen „Erzählstein Sylt“. Was es damit auf sich hat, erklärt uns Märchen-Coach und Initiatorin des Projektes Katja Hausmann im Interview.

© Waldbaden

Moin Frau Hausmann, wie geht es Ihnen?
Danke, sehr gut, ich komme gerade von der Insel, es war wieder sehr schön und ich freue mich auf meine baldige Rückkehr im Juli. Dann werde ich für eine längere Zeit dort sein, um den Erzählstein neu zu befüllen.

So schön! Mögen sie uns erzählen, womit sie jenen Stein "befüllen" möchten?
Mit verschiedenen ätiologischen Märchen, das sind die ältesten überlieferten Geschichten und Mythen, mit denen die Menschen früher versucht haben, bestimmte Phänomene und ihren Ursprung zu erklären. Eine Antwort auf die Frage, wo diese herkommen, gibt ein Indianermärchen. In diesem erzählt ein Stein Geschichten und erteilt am Ende den Lauschenden den Auftrag, diese weiter zu tragen und zu erhalten, über Generationen hinweg. Viele Jahrhunderte später ist es nun an uns, diese Aufgabe zu erfüllen und dies tun wir von Herzen mit diesen Erzählsteinen. Über den QR-Code auf dem Stein können die Märchen aufgerufen und an diesem schönen Platz direkt gehört werden.

Wie entstand die Idee zum Sylter Erzählstein?
Ich bin Märchen-Erzählerin und Märchen-Coach, das Erzählen ist also ein großer Teil von mir.
Während der Pandemie habe ich eine längere Zeit auf Sylt verbracht, oft stand ich ganz allein auf der Plattform am Strandübergang bei der Nordseeklinik. Die Idee zum Erzählstein hatte ich schon vorher, doch ich habe die Zeit genutzt, um dieses Projekt vorzuschlagen. Dann hat es einen Moment von der Idee zur Umsetzung gedauert, im Zuge wurde das Podest erneuert und der Stein bekam seine eigene Nische. Mit Trecker und Krahn wurde das schwere Teil dorthin manövriert und 2021 dann von der Gemeinde Sylt offiziell eröffnet.

© Julia Petersen

Was oder wer führte Sie in die Welt der Märchen hinein?
Mein Vater war Lehrer und hat mich schon früh in die Märchen eingeweiht, indem er mir und meinen Geschwistern ganz viele Geschichten vorgelesen hat. In vielen Märchen verschiedener Länder gibt es die „Schicksalsfrauen“, drei meistens, die kurz nach der Geburt eines Kindes an sein Bett treten und Lebensfäden für das kleine Menschlein fädeln. Ich habe oft das Gefühl, dass diese Frauen oder eine gute Fee die Märchen in meine Wiege gelegt haben. Sie haben mich mein Leben lang begleitet, sie sind mir Wegbegleiter und – bereiter. Ihre Faszination haben sie nie verloren, immer neue Facetten öffnen sich mir. Sie geben mir ebenso Kraft und Ruhe, wie Vitalität und Ansporn und immer wieder tiefe innere Erkenntnisse. Ursprünglich bin ich studierte Sozialpädagogin und habe lange an einer Grundschule im sozialen Brennpunkt gearbeitet. Schon dort habe ich Märchenprojekte ins Leben gerufen. Zudem habe ich eine Märchen- und Literaturschule eröffnet, wo einmal in der Woche Märchenveranstaltungen stattfanden. Darüber bin ich plötzlich an eine Veranstaltung geraten, bei der es ums Erzählenlernen ging. Ich war überrascht und fand es kurios, dass man das lernen kann. Ich dachte das kann jeder und ist keine besondere Fähigkeit. Der Weg führte mich zu einer Lehrerin und später Linde Knoch, bei der ich weitere Kurse machte und es wurde schnell zu meiner großen Passion und meinem Beruf. Mittlerweile bin ich für die europäische Märchengesellschaft tätig.

Worum geht es in den Märchen, die sich im Sylter Erzählstein befinden?
Passend zum Standort geht es um die Heilung, Gesundheit und Lebensweisheit. Auf der Plattform finden sich viele Kurgäste wieder, zu denen diese Märchen passen. Der Erzählstein kommt sehr gut an, 2022 wurde er über sechshundert Mal geklickt. Ich freue mich darauf im Juli im Sylter Tonstudio bei Daniel Möhrke wieder neue Geschichten aufzunehmen. Der Erzählstein ist ein Sylter Urgestein, es war mir wichtig, dass das gesamte Projekt auf Sylt umgesetzt wird.

Gehen Ihnen manchmal die Märchen aus?
Bisher nicht, es gibt zum Glück unglaublich viele Märchenbücher, über 100 Bücher habe ich zuhause und alle drei Monate bekomme ich eine Märchenzeitung, in der ich immer wieder neue Märchen entdecke.

Schreiben Sie auch selbst Märchen?
Jein, für mich schon mal als Art der Selbstcoaching-Methode, wenn ich ein Problem habe oder ein Thema, das ich lösen möchte für mich. Ich lerne selbst draus und kann so verstehen, wie es sich gebildet hat.

Gibt es ein besonderes Datum, das wir uns vormerken sollten?
Sehr gerne den 29. Juli, 20:00 Uhr. Ich werde vor Ort auf dem Podest am Erzählstein sein und Märchen von Sonne, Wind und Meer vortragen. Der „Eintritt“ ist frei, anschließend geht der Hut für die Aufnahme der neue Märchen im Tonstudio rum. Es soll keine Gage für mich sein, sondern wirklich rein für den Erzählstein genutzt werden

Sie möchten mehr über Katja Hausmann erfahren? Auf ihrer Website finden Sie weitere Informationen über Ihre verschiedenen Projekte. Abgesehen von Ihrer Tätigkeit als Märchen-Coach ist sie zudem Waldbademeisterin. Gemeinsam mit den Sylter Museen führt sie in diesem Sommer in der Vogelkoje Kampen in die Kunst des Waldbadens ein. Mehr Infos dazu gibt's hier.

Text: Julia Petersen

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