Natürlich Sylt
Zurück in die Zukunft
Eine Zeitreise in die »Belle Epoque«, die in ihrer Schönheit und Unbekümmertheit nicht nur Nostalgie ist, sondern im Westerländer Hotel Miramar weiterlebt.
Zurück in die Zukunft
Eine Zeitreise in die »Belle Epoque«, die in ihrer Schönheit und Unbekümmertheit nicht nur Nostalgie ist, sondern im Westerländer Hotel Miramar weiterlebt.
Historiker Alexander Römer blättert sich im Keller des Sylt Museums durch 150 Jahre Seebad-Geschichte. Alte Prospekte und Plakate, Fotos und Fahrpläne lagern hier und geben Auskunft über die Anfänge des Fremdenverkehrs auf Sylt. »Schon bald nach der Gründung des Seebads Westerland im Jahre 1855 tummelte sich allerhand Prominenz auf der Promenade, Logierhäuser eröffneten und Hotels wurden gegründet. «Im Gegensatz zu den opulenten und eleganten Hotels sind die Archive des Museums nüchtern gehalten. Kalte Leuchtstoffröhren flammen surrend vor weiß gestrichenen Betonwänden auf, die Unterlagen liegen in metallenen Regalen und sind auf bewahrt in säure freien Archivkartons. Mit weißen Baumwollhandschuhen öffnet der Leiter der Sölring Museen die Kurgästeliste vom August 1872: Advokat Strauch aus Hamburg war zu Besuch und der Fabrikbesitzer Behr aus Köthen, es logierte der Staatsminister a.D. von Westphalen samt Tochter und Bedienung, zu Besuch auf Sylt waren ferner auch Frl. Emilie aus der Schweiz und der Gymnasiast Thiele aus Ratzeburg. »Einen Urlaubsanspruch wie heute gab es um 1900 ja gar nicht. Kein Arbeiter war in der Lage, zu verreisen. Es war nur eine hauchdünne Oberschicht–der alte Blutsadel und der neue Geldadel –, die sich in den Bädern verlustieren konnte. Wer damals auf die Insel kam, hatte meist Macht, Geld und Einfluss«, sagt die Sylter Gästeführerin und Buchautorin Silke von Bremen.
Ein anderes Papier ist braun und brüchig, es riecht ein wenig staubig, es ist die Patina eines vergangenen Jahrhunderts. Außerdem finden sich eine Strandkarte für 30 Pfennig, ein Vortrag über Winterkuren an der Nordsee sowie ein Reiseführer mit dem Titel »Sylt–Königin der Nordsee«. Mit diesem eingängigen Slogan konnte Sylt, das mit längst etablierten und luxuriösen Nordseebädern wie zum Beispiel Büsum, Wyk oder Norderney im Wettbewerb stand, punkten. Die Hotels und Pensionen, Logierhäuser genannt und oft mit dem Zusatz »Ersten Ranges« versehen, mussten etwas bieten. Gäste waren Komfort gewohnt, von zuhause ohne hin, aber auch von anderen Seebädern. Die Annehmlichkeiten mussten auch auf Sylt auf der Höhe ihrer Zeit sein. So wirbt das Haus Korwan mit »vorzüglichen Betten« und das Logierhaus Sanssouci mit »komfortablen und mit elektrischem Lichtausgestatten Zimmern«, das Miramar mit »Bädern im Hause«. Das Haus Brandenburg verfügte über »Waschtische auf allen Zimmern mit Wasseranschluss« und mit Anschluss sogar an die Kanalisation. Ein teilweise unerhörter Luxus damals. Werden in hundert Jahren die Leute ähnlich schmunzeln, wenn sie lesen: Kostenloses W-LAN auf jedem Zimmer? Der Museumsleiter zeigt Bilder von Damen und Herren am Strand – er im Trikot, sie mit Hut und wohl gemerkt beide in der Brandung. »Zwar musste anfangs noch nach Geschlechtern getrennt gebadet werden, aber immerhin zeigen die Bilder auch den Geist von Aufbruch und eine beginnende Lockerung der Sitten. «Es wuchs auch ein Verlangen an Orten zu sein, die neue Erlebnisse versprachen – sei es ein Kurhaus, kulinarischer oder kultureller Genuss oder gar eine Jagd auf Seehunde, die damals beworben wurde. Doch die Gäste waren nicht nur auf der Suche nach Luxus, neuen Erlebnissen und ihres gleichen. »Man reiste schon damals auch auf der Suche nach Natur und Gesundheit«, erzählt Alexander Römer. Und sie fanden es ebenfalls auf Sylt. Wieder ein Blick in einen Reiseführer, von 1902: »Das Meer in seiner vollen zauberhaften Schönheit, in seiner majestätisch-gigantischen Größe kann von keiner deutschen Küste mit so erhabenen Empfindungen bewundert werden. «Nicht weniger Grund für eine Reise war die »köstliche, heilsame Seeluft« und nicht zuletzt der »unvergleichliche, herrliche Strand«. Und manch Reisende waren auf der Suche nach Kultur und Natur. Mehr noch als vielleicht andere versprachen sich Künstler von neuen Erlebnissen veränderte Gedanken.
Was häufig in den alten Reiseführern zusehen ist, ist die Anzeige des Hotel Miramar. Das bot, schon vor mehr als hundert Jahren, »jeden Comfort der Gegenwart und vorzügliche Betten«, »Diener am Bahnhof «ohnehin sowie ein Musik- und Lesezimmer. »Sylt hat, wie man aus allem sieht, noch eine große Zukunft«, schrieb der Berliner Unternehmer Otto Busse zu Beginn des vorigen Jahrhunderts nach Hause. »Und deshalb (…) gehe ich mit nichts Geringerem um, als hier in bester Lage (…) ein Logierhaus zu bauen. (…)« Busse hatte die Zeichen der Zeit und den Bedarf an einem Luxushotel richtig erkannt und baute direkt an der Promenade in Westerland Grand Hotel Miramar. All das, was Reisen damals zu einem exklusiven Erlebnis machte, tut es hier noch heute. Die Besitzer haben die stilvolle Eleganz dieser Zeit bewahrt. Nicolas Kreis führt das Miramar heute in der fünften Generation zusammen mit seiner Frau Christiana. Das Haus wurde behutsam renoviert und modernisiert, den Annehmlichkeiten des 21.Jahrhunderts mit Respekt vor der Geschichte angepasst. Wenn man das Miramar betritt, fühlt man sich in die Belle Epoque zurückversetzt, spürt Salonatmosphäre, blickt auf Jugendstilelemente, wie zum Beispiel die Eingangstür oder Deckenleuchter. Manche Dinge würde Christiana Kreis niemals verändern, das rote Sofa im Eingangsbereich gehört dazu, die Spiegel und die Lampen ebenso. Es gebe, so ihr Credo, unverrückbare Werte. »Nostalgie ist für uns kein Fremdwort. Wir geben der Rückwendung zu früheren Zeiten gern eine Chance, wenn gleich zurückhaltend.« Nicolas Kreis führt in die Bibliothek, er blättert in historischen Broschüren, die er herausgesucht hat. Zeigt Postkarten, Bilder, Details wie einen Kofferaufkleber von1928, Meldescheine. Der Sylter Hotelier berichtet von Gästen wie Max Schmeling und der Schauspielerin Asta Nielsen, Hans Albers und dem Politiker der Weimarer Republik Gustav Stresemann, die zu Gast waren. Im »Blauen Salon «steht ein Kachelofen, eine Anrichte aus der Zeit der Hotelgründung mit Geschirr aus der Epoche des Jugendstil, ein Biedermeier-Sofa. Die bunten Glasmalereien in den Fenstern zeigen Meereslebewesen und die Sylter Sagengestalt Ekke Nekkepenn. Auf den Fluren stehen Vitrinen mit Stücken aus der Belle Epoque, zu sehen sind beispielsweise Geschirr, dekorative Dinge wie Kerzenständer, Skulpturen. Sie verdoppeln sich in den Spiegeln. Gespiegelt ist ebenfalls der Blick in die Zimmer mit ihren hohen Stuckdecken. Aufgehoben wirken Zeit und Zusammenhang. Jugendstil entstand auch aus dem Wunsch, das Gegenteil von seelenlos zu sein. Es wirkt frisch und unbeschwert. Der dekorative Jugendstil, prägendes Element in diesem Haus, ist nicht nur hübsch, sondern auch ein Stil eigener Zeit, einer des Aufbruchs. Wieder der Reisens.
Wer mehr über Westerland und seine Entwicklung als Seebad sowie über das Reisen in der Belle Epoque erfahren und sehen möchte, sollte an einer Ortsführung mit den Gästeführern des Fremdenverkehrsvereins Westerland und/oder mit der Gästeführerin Silke von Bremen teilnehmen.
Text: Oliver Abraham
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