Natürlich Sylt

Die Werbe-Ikone

Alles, nur nie langweilig. Sylt im Spiegel plakativer Promotion längst vergangener Zeiten.

© Archiv Deppe

Hier werden Sie geholfen. Das suggerieren die Werbeplakate der Insel, die bis in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Aushängeschild der Sylt-Werbung waren. Großformatige Verführer, die die Sehnsucht nach Meer, nach glamourösem Leben und unbeschwerten Strandfreuden so scheinbar mühelos wecken konnten. Für sein neues Buch »Sylt – die Werbe Ikone« hat sich der Sylter Journalist und Autor Frank Deppe die Motive und Botschaften der Vintageplakate sowie Titelseiten der alten Reklameprospekte ganz genau angeschaut – und eingebettet in den jeweiligen historischen Kontext. Wie sich die Werbung im Laufe eines Jahrhunderts zwischen 1900 und 1999 verändert hat und ob das eine oder andere Motiv noch heute eine Chance hätte, erzählt er uns im Interview.

Die große Zeit des Plakats begann am Ende des 19. Jahrhunderts. Westerland und Wenningstedt hatten sich bereits als Seebäder etabliert und erste Gäste für die Sommerfrische am Meer begeistern können. Mit den neuen Schifffahrtslinien und dem Ausbau der Inselbahn nahmen Fremdenverkehr und Werbung zeitgleich richtig Fahrt auf. Schnell entwickelte sich Sylt zur »Königin der Nordsee«. Zufallsprodukt oder genialer erster Werbe-Coup?
Frank Deppe: »Legt Seebäder an und eure Möwen werden goldene Flügel bekommen«, hatte der Schriftsteller Theodor Mügge den Syltern bereits 1851 empfohlen. Ein Ratschlag, dem die Insulaner gerne nachkamen. Wuchsen die Gästezahlen anfangs nur zögerlich, warb Sylt ab den 1890er-Jahren unter anderem mit Plakaten. Zunächst setzte man dabei noch nicht auf Werbeslogans, sondern auf markante Motive wie das Meer und den Strand.
Zunächst rangierte also das Kur-Prinzip vor dem Lust-Prinzip. Aber von Zurückhaltung keine Spur: »Stärkster Wellenschlag an der Westküste. Heilkräftigstes Seebad Deutschlands. Unvergleichlich schöner Strand.« Im ersten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts warben die Seebäder Westerland und Wenningstedt recht selbstbewusst.
Ja, mit der Zeit wurde die Werbung immer selbstbewusster. Gern wurde etwa der erwähnte Slogan »Sylt – die Königin der Nordsee« propagiert, der ja für sich spricht. Westerland warb als »Von der besten Gesellschaft be-vorzugtes Seebad«. Man gab sich also nicht schüchtern.

© Archiv Deppe

Und doch auch immer mit »angezogener« Handbremse?
Bezüglich der Auswahl der Motive sicherlich, denn der Zeitgeist war anfangs ja noch sehr prüde. Zwar hatte die Insel unter anderem schon 1911 mit dem Motiv einer badenden Dame geworben, die aber züchtig bekleidet war.
Werbeplakate spiegeln die zeittypischen Interessen, Bedürfnisse und Sehnsüchte. Wenig verwunderlich also, dass die Motive Anfang der 1930er-Jahre freizügiger und moderner wurden.
Die Damen waren immer noch verhüllt, aber doch schon deutlich kesser – etwa Badenixen in knallroten Trikots in der Brandung. Aber auch eine selbstbewusste, divenhafte Sommerfrischlerin in sportlich-eleganter Kleidung auf der Westerländer Promenade war zu sehen. Denn Reisen war zu jener Zeit noch ein Privileg des begüterten Bürgertums.
Werbung sagt viel aus über die Zeit und die Gesellschaft, in der sie stattfindet. Vor allem dann, wenn sie in ihrer jeweiligen Gegenwart kontrovers diskutiert wird. Vor genau 70 Jahren entwarf der Sylter Hotelier und Künstler Hans Hentzschel das wohl umstrittenste, aber gleichzeitig auch erfolgreichste Werbeplakat.
Das stimmt. Für die eher gesetzten 1950er-Jahre war dieses Werbeplakat recht kühn. 1952 entwarf Hans Hentzschel das künstlerische Westerländer Werbemotiv »Badende Venus«, das eine neue, revolutionär freizügige Ära des Marketings begründete: Ebenso unbeschwert wie unbekleidet stürzt sich auf dem Plakat eine attraktive, junge Dame in die Brandung. Bis zum Ende der 1960er-Jahre fand die »Badende Venus« werbliche Verwendung. Und noch heute prangt das Motiv an den Ortseingängen von Westerland auf Schildern.
Mit der Konsumwelle der Fünfzigerjahre war ein erneuter Aufschwung des Werbeplakates verbunden. Mit »Sonne. Sommer. Fröhlichsein.« brachte man Botschaften auf den Punkt und den neuen Zeitgeist aufs Plakat.
Es gab zwei grundlegende Ausrichtungen: zum einen farbenfrohe, künstlerische Motive, aber auch bedächtige Ansichten wie etwa ein Maler auf dem Kampener Kliff oder Badende in der Brandung.
Generell scheint die Plakatwerbung ab den 70er-Jahren experimentierfreudiger geworden zu sein.
Auf jeden Fall. Ein nackter Popo unter einem Sonnenschirm, barbusige Badenixen oder aber ein surfender Geschäftsmann im Anzug – der Kreativität waren keine Grenzen gesetzt, zumal die Konkurrenz ja auch nicht schlief.

Werbung in eigener Sache

© Archiv Deppe

Frank Deppe wuchs auf Sylt auf und verbrachte seine ersten Berufsjahre in der großen, weiten Welt. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Redakteur beim Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag sowie dem Axel-Springer-Verlag kehrte er als Preisträger der Hamburger Akademie für Publizistik auf seine Heimatinsel zurück, wo er heute als freiberuflicher Journalist und Autor lebt und arbeitet.
Spricht man von Sylt als Königin der Nordsee, dann ist Frank Deppe vielleicht so was wie der König der Sylter Zeitgeschichte. Aus seinem privaten Archiv hebt er so manchen Schatz, den er gerne mit der Öffentlichkeit teilt. Als lokaler Bestseller hat sich im Laufe der Jahre die Reihe »Die kleine Insel-Edition« erwiesen, in der er ganz unterschiedliche Themen ebenso informativ wie unterhaltsam aufbereitet – von der Sylter Sagenwelt über Sylter Originale bis hin zur Geschichte der legendären Inselbahn.
So war es dann auch nur eine Frage der Zeit, wann er sich des Themas Sylt-Werbung annimmt. Der Bildband »Sylt – die Werbe-Ikone« zeigt, mit welchen Plakaten die Insel auf sich aufmerksam machte und um Gäste buhlte – und erzählt, nach Jahrzehnten geordnet, von einschneidenden Ereignissen, die Sylt im vergangenen Jahrhundert bewegten. »Sylt – die Werbe-
Ikone« ist unter anderem im Sylter Buchhandel erhältlich.

Text: Jutta Vielberg

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