© Finn Anjes

Natürlich Sylt

Die Sehnsucht nach Roten Beten

Mit dem Fahrrad zur Arbeit. Konsequent, bei jedem Wetter. Viele auf Sylt nehmen sich das vor, knicken aber bei sieben Windstärken frontal wieder ein. Nicht so Dietmar Priewe. Der fährt die 16,5 Kilometer von Westerland nach List, wenn der Terminkalender es erfordert, auch gerne viermal. Und das ist nur ein Ausschnitt seines Sportprogramms. Die meisten Tage beginnen für den Koch mit einem Workout im Tinnumer Fitnessstudio. Marathon-Distanzen gehören zur Kür.

 

© Maike Hüls-Graening

Auf der Strecke Westerland–List ist Dietmar Priewe wahrscheinlich der einzige konsequente »Berufspendler«. Der flotte Rennradler sieht aus wie ein Seebär auf dem falschen Fortbewegungsmittel. Ein Bilderbuch-Testimonial für gesunde Lebensführung. Und als solches ist er gewissermaßen auch im Einsatz: Denn der 47-Jährige ist Küchenchef im Edel-Medizin-Resort Lanserhof in List, das im Frühsommer eröffnet. Was gibt es denn überhaupt zu essen, in einem Haus, das sich dem Fasten, der ganzheitlichen Regenerierung und der Sanierung des Darms verschrieben hat? Dietmar Priewe muss lachen und klärt auf. »Eine gute Brühe für alle und fertig? Ne, so einfach machen wir es uns nicht. Es gibt ver- schiedene Kurstufen und für jeden Gast ein maßgeschneidertes Ernährungskonzept. Denn jeder kommt mit einer anderen Intention zu uns und mit anderen medizinischen Befunden. Nach dem Eingangscheck wird der Ernährungsplan individuell erstellt. Die Küche ist zentraler Baustein in unserem Zusammenspiel aus Spitzenmedizin, Naturheilkunde, Bewegung, Anwendung und Wellness«, bringt Dietmar Priewe die Grundidee der Lanserhof-Resorts auf den Punkt.
In der offenen Küche des gigantischen Bauwerks auf der Lister Düne werden sich künftig acht Küchen-Profis darum kümmern, dass die etwa 80 betuchten Gäste des Hauses genau die Ernährung erhalten, die ihr Anliegen flankiert. Produziert wird ausschließlich mit naturbelassenen Lebensmitteln aus der Region – ein biologischer bzw. Demeter-Anbau versteht sich beinahe von selbst. Priewe hat seine künftigen Lieferanten besucht und kennengelernt. »Klar, regional heißt im Einzelfall dann auch, dass unsere Walnüsse von der Moldau stammen, viel näher geht für dieses Produkt halt nicht«, berichtet er. In den letzten Monaten vor der Eröffnung leistete er beinahe die Arbeit eines Alchemisten: In einer Lister Experimentierküche wurden Rezepte entwickelt mit regionalen Produkten, die allen medizinischen und kulinarischen Ansprüchen Rechnung tragen.

© Maike Hüls-Graening

So hat er beispielsweise die ideale Komposition für einen Weizengras-Shot elaboriert oder die perfekte Textur für einen Möhren-Aufstrich, der nach dem Fastenbrechen ideal ist. Dass das auch fein schmeckt, dafür steht Dietmar Priewe seit jeher. Sein neuer Arbeitsplatz polarisiert. Das ist ihm natürlich nicht entgangen. »Überdimensioniert, in die Düne geklatscht, viel zu elitär« sind die Hauptkritikpunkte am imposanten Reetdachkomplex. »Die Entscheidung über den Standort habe ich nicht getroffen. Aber ich glaube, dass der Lanserhof gut sein wird für Sylt«, meint er. Sein Impuls: Menschen in die Lage zu versetzen, gesünder zu leben. An seinem Know-how möchte er unbedingt auch Locals teilhaben lassen. Mit Ernährungs-Workshops am Sylter Schulzentrum zum Beispiel. Am 1. Mai gehört er beim »Kampeneum« im Kampen zu einem 1a-Referententeam, das den Teilnehmenden aus verschiedenen Blickrichtungen verraten wird, wie man jünger und gesünder altert. Priewe ist der Fleisch gewordene Prototyp für gelungenen Wandel. Vor sieben Jahren schaffte er es, aus einem typischen Profi-Koch-Lifestyle mit diversen Maleschen auszusteigen und für immer umzuschwenken. Neuer Kurs: bewusste Ernährung, ganzheitliche Lebensführung, viel Sport. Der Schlüsselmoment für den Wandel? »Es war auf einer Gala in Berlin. Vor sieben Jahren. In der Garderobe probierte ich eine Koch-Jacke an. In XL. Die wollte absolut nicht über meinen Bauch passen. Da wusste ich: Ich muss was ändern«, erinnert er seinen Point of no return, den Moment, der sein Leben umkrempeln sollte. Ein Sansibar-Gast aus Köln begeisterte ihn für einen ganzheitlichen medizinischen Ansatz. Dietmar Priewe schaffte, was wenigen gelingt: »Ich fühle mich heute besser als vor 25 Jahren – in jeder Hinsicht. Leichter natürlich auch – 40 Kilo, um genau zu sein.«

© Lanserhof Sylt

Seinen Posten in der Sansibar lebte er zunächst weiter mit Hingabe. Aber die Sehnsucht wuchs, beruflich tiefer einzusteigen in das Thema »Du bist, was Du isst«. »Außerdem wollte ich immer schon wissen, warum Rote Bete nicht gut sein soll für mich«, plaudert er. Die Wirkung von Nährstoffen und deren Kombinationen auf den Organismus ist das, was ihn fasziniert. Und weil nichts oder eben alles Zufall ist im Leben, lernte er die Planer des Sylter Lanserhofs kennen. Es funkte. In den letzten 24 Monaten hat er sich mit jeder Faser in die Philosophie eingearbeitet – er hospitierte in den Resorts am Tegernsee und in Lans, hat in Kitzbühel mitten in Corona die Eröffnung eines neuen Restaurants von CEO Dr. Christian Harisch vorbereitet. Zudem macht er online gerade seine Ausbildung zum Diätkoch, lernte im letzten Jahr in London Englisch (»ein schwarzes Loch in meiner Biografie«) und stählte sich parallel mit Bootcamps aller Art. Und das mit der Roten Bete hat Dietmar Priewe auch geklärt: »Lange dachte man, dass der Nitrat-Anteil in der roten Knolle nicht gut sei für den Organismus. Stimmt aber so gar nicht, im Gegenteil! Warum, erzähl ich beim nächsten Mal«, sagt er und schwingt sich auf sein Rad.

Text: Imke Wein

LANSERHOF SYLT
Größtes Hotelbauprojekt Deutschlands: Vier Jahre lang wurde auf dem Dünen-Gelände des ehemaligen Offiziersheims der Marineversorgungsschule am Lister Ortseingang gebaut, 150 Millionen Euro investiert. Weitere Zahlen: 55 Zimmer · 200 Mitarbeitende · 17.000 Quadratmeter Grundfläche verteilt auf drei Gebäudetrakte · 17 Meter tief ragt der Bau in die Düne hinein · 4.000 Quadratmeter umfasst der Klinik- und Therapiebereich · Mindestaufenthalt: eine Woche · Kosten ab 7.000 € / Woche · www.lanserhof.com

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