© SMG/Holm Löffler

Natürlich Sylt

Das Verwöhnaroma

Christian Appel gibt dem Rantumer Hafen ein ganz neues Röstprofil

Christian Appel in seiner Kaffeerösterei
© SMG/Holm Löffler

Im kleinen Hafen schaukeln ein paar Boote vor sich hin, aus der Halle des Segelvereins dringt verhaltener Reparaturlärm, dazu dudelt Rockmusik. Nein, das Tor zur Welt ist der Rantumer Hafen nicht. Auch wenn er mehr und mehr den Duft der großen weiten Welt annimmt. Dafür sorgt die Kaffeerösterei von Christian Appel, der sich vor knapp einem Jahr den Traum erfüllte, seine eigene Rösterei mit Café zu eröffnen. Als sich ihm die Chance bot, eine alte Lagerhalle mit Blick auf das Rantumbecken zu mieten, griff er zu. Zusammen mit seiner Frau Nicol und den vielen helfenden Händen von Freunden und Familie machte er aus der schmucklosen Halle ein Kleinod im Industrie-Style mit maritimem Einschlag – hohe Decken, offene Stahlträger, heller Holzfußboden. Auf einer kleinen Empore lagern Säcke mit Rohkaffee aus Guatemala, Äthiopien, Brasilien und Indonesien. »Die Auswahl ist das Ergebnis stundenlanger Kaffeeverkostungen bei meinem Rohkaffeehändler in Hamburg«, sagt Christian und lässt dabei die rohen Kaffeebohnen durch die Finger rieseln. Wer sich dazu intensiven Kaffeeduft vorstellt, liegt falsch. Die Bohnen riechen eher nach Heu, mit einer Prise Getreide, irgendwie Richtung Popcorn. »Die Kaffeenote kommt erst, wenn die gerösteten Bohnen im Fass zwei bis drei Tage geruht haben.« Das trifft sich gut, denn der Geruchssinn ist mittlerweile anderweitig beschäftigt – aus der kleinen Backstube nebenan duftet es nach Friesenkeksen, die Nicol nach altem Rezept der Oma herstellt. Christian ist ein waschechtes Inselkind, das irgendwann gerne Stadtkind sein wollte und nach Köln ging. Dort arbeitete er 25 Jahre als Producer bei einer TV-Produktionsfirma und hospitierte in den letzten Jahren regelmäßig in der Kaffeemanufaktur Heilandt in Köln. »Anfangs, weil ich selbst leidenschaftlicher Kaffeetrinker bin, dann, weil mich das Handwerk des Kaffeeröstens und -zubereitens mehr und mehr faszinierte.« Als das Heimweh zur Insel immer stärker wurde und sich Christian die Möglichkeit bot, seine eigene kleine Rösterei auf Sylt zu eröffnen, gab es kaum was zu überlegen. Auch nicht für Nicol und die beiden sechs und acht Jahre alten Söhne. »Und das ausgerechnet hier, wo ich als kleiner Junge gespielt habe und den Schafen hinterhergerannt bin.« Heute ist Christian nur noch auf der Jagd nach den besten Bohnen: »Arabica und Robusta, meine beiden Hauptbohnen. Das sind die weltweit am meisten gehandelten Kaffeesorten.« Dass es hochwertige Bohnen sind, also reiner Finca-Kaffee, kann der Laie nicht erkennen, wohl aber die feinen Unterschiede in Form und Größe. Die Robustabohnen sind rundlicher und kleiner und haben einen fast geraden Einschnitt. Die Arabicabohnen dagegen sind größer und flacher, die Form ist deutlich ovaler. Langsam, aber sicher wird klar, dass guter Kaffee kein Zufallsprodukt ist. »Der Geschmack wird durch mehrere Faktoren beeinflusst. Die Kaffeesorte spielt natürlich eine große Rolle, aber auch die Anbaubedingungen wie Klima und Bodenbeschaffenheit, das Ernteverfahren und die anschließende Verarbeitung der Kaffeekirschen, Transport und Lagerung sind nicht unwichtig. Den größten Einfluss auf den Geschmack hat die Röstung.«

Kaffee aus der Kaffeerösterei Sylt in Rantum
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Freunde der gepflegten Trommelröstung kommen bei Christian auf jeden Fall voll auf ihren Geschmack. Der Giesen-Trommelröster W15 ist das Herzstück der Kaffeerösterei Sylt: »Ich muss sagen, ich bin echt stolz auf diesen Röster. Mit ihm kann ich pro Charge bis zu 15 kg Rohkaffee rösten und das Beste aus den Bohnen herausholen – und das sind immerhin mehr als 800 verschiedene Aromen.« Fast täglich wird im Rantumer Hafen geröstet – vor aller Augen und zu angekündigten Zeiten. Jede Kaffeesorte wird einzeln für sich nach unterschiedlichen Röstprofilen im traditionellen Langzeitröstverfahren geröstet. »Wir rösten bis zu 22 Minuten bei einer Temperatur von 200 Grad, damit sich die Aromen schonend entfalten können und die Säure dabei vergeht. Zum Vergleich: In der Industrie wird 70 bis 90 Sekunden bei einer Temperatur bis zu 500 Grad geröstet.« Gut Ding will eben Weile haben. Und jede Bohne will ihr eigenes Röstprofil. Ausschlaggebend dafür ist, ob die Bohne später als Espresso oder als Filterkaffee in der Tasse landet. Bohnen für die Kaffeezubereitung werden ca. 16 Minuten geröstet, Espressobohnen mindestens 20 Minuten. Diese sind durch die längere Röstung dunkler. »Es wird solange ausprobiert und dokumentiert, bis das Röstprofil einer jeden Bohne perfekt ist. Erst danach mischen wir die einzelnen Kaffeesorten.« Okke ist so eine perfekte Mischung, ein 100%-Arabica-Espresso, den Christian abgepackt für Zuhause anbietet.

Kaffeerösterei Sylt in Rantum
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So fachmännisch die Kaffeebohnen in Rantum geröstet werden, so perfekt wird der Kaffee auch zubereitet. Aus dem Zolllager geht es in den vorderen Cafébereich. Die Theke ist einem Schiffsrumpf nachempfunden, an den Wänden hängen leere Kaffeesäcke aus aller Welt. Die Getränkekarte, die mit Kreide auf eine große schwarze Tafel geschrieben ist, liest sich wie das Who is Who der Kaffeeszene. Christian macht sich einen Americano, einen »verlängerten« Espresso, den er mit seiner brandneuen Dalla Corte macht. »Der Maserati unter den Siebträgern. Nach 4 Stunden Aufbau war der erste Espresso die schönste Belohnung überhaupt.« Aber auch Filterkaffee-Anhänger kommen bei Christian nicht zu kurz: Sie können zwischen unterschiedlichen Brühmethoden wählen. French Press, Aeropress oder Handfilter. Espresso und Filterkaffee unterscheiden sich nicht nur im Röstverfahren, sondern auch in der Art der Zubereitung. Espresso wird unter besonders hohem Druck zubereitet. Für einen Espresso muss das Wasser mit mindestens 9 bar durch das zuvor gepresste Kaffeemehl fließen und eine Temperatur von etwa 88 bis 94°C haben. Bei der Kaffeezubereitung hingegen wird eine höhere Wassertemperatur verwendet (ca. 92 bis 96°C), aber kein künstlicher Druck erzeugt. Espresso hat außerdem einen feineren Mahlgrad, was mit dem kürzeren Brühvorgang und der somit geringeren Wasserkontaktzeit (25 bis 30 Sekunden) zusammenhängt. Bevor Christian den ersten Schluck seines Americanos nimmt, erzählt er von seiner Mutter, die ihre Pension auf Sylt mit einem einfachen, aber durchschlagenden Grundsatz führte: »Es geht nichts über eine gute Tasse Kaffee.«

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