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Achtsam oder abgelenkt?

Autorin Johanna Katzera über den achtsamen Umgang mit digitalen Medien – im Alltag und Urlaub.

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Die Welt hinter dem Bildschirm ist faszinierend. Sie verbindet und belohnt uns unentwegt, unmittelbar und anstrengungslos; erleuchtet in bunt, zeigt sich maßgeschneidert, abwechslungsreich und grenzenlos. Wir greifen immer wieder hin, sehen nach, loggen uns ein, senden, empfangen, klicken, wischen, warten, suchen, hoffen und finden. Kurze Clips, perfekte Bilder, schnell wechselnder Input. Wir können alles erhaschen und müssen nichts wirklich erfassen. Gefällt uns etwas, so liken wir, ansonsten swipen wir.
Aber was macht diese rasante Reizflut mit unserer Aufmerksamkeit?
Können wir noch abschalten und im Urlaub den Alltag ganz hinter uns lassen?

Im Jahr 2007 brachte Steve Jobs das erste iPhone auf den Markt. Seitdem können wir das Internet und seine wachsenden Möglichkeiten in Form von vielfältigen Apps auf einem kleinen Gerät bei uns tragen. Längst reicht das Smartphone in immer mehr Lebensbereiche, Orte und Uhrzeiten hinein. Es vereint Familie, Beruf, Freundeskreis und den Rest der Welt. Es bündelt unser Leben in Daten, Dateien, Buchstaben, Fotografien und Videos. Es ist unser Tor zur Welt und unsere unauffällige Flucht aus der Realität. Oft ist es abends der letzte und morgens der erste Gegenstand, den wir berühren. Heute sind wir eigentlich immer online.

Ständige Erreichbarkeit und digitaler Stress

Einfach achtsam
© Johanna Katzera

Erreichbarkeit wird oft vorausgesetzt und bedingt räumliche Entgrenzung – mit Vor- und Nachteilen. So ist das Nachschauen nach digitalen Neuigkeiten einerseits zu einer aufregenden Gewohnheit und andererseits zu einem lästigen To-do-Punkt geworden. Wir sind vernetzt. Doch mit dem Büro zu Hause und dem Zuhause im Büro, mit dem Körper im analogen Hier und den Gedanken im digitalen Dort, sind wir überall ein bisschen und nirgends ganz. Wir sind unentwegt online und wirken dabei selbst nur selten voll aufgeladen. Wir fühlen uns zwar ständig urlaubsreif, aber schalten im Urlaub immer seltener ab. Doch wenn wir auch im Urlaub weiterhin erreichbar sind, E-Mails lesen und beantworten, an Online-Konferenzen teilnehmen oder für Notfälle verfügbar sind, setzt sich ein großer Teil des Alltags fort. Durch diese ständige Erreichbarkeit, räumliche Entgrenzung und den unmittelbaren Zugang und globalen Austausch von Informationen dreht sich das alltägliche Hamsterrad immer schneller. Digitaler Stress ist inzwischen allgegenwärtig. Er ist zwar nur subtil sichtbar und ohne plastische Papierstapel kaum greifbar, doch individuell spürbar.

Ist es nicht paradox, dass wir den Akku unseres Smartphones immer gut im Blick haben und unseren eigenen oft übersehen? Wir sind soziale Wesen und das Smartphone schenkt uns ununterbrochen die Möglichkeit zur Interaktion. Das ist gut. Doch es ist auch wichtig, dass wir allein sein können und Phasen haben, in denen wir bewusst abschalten und vom Rest der Welt offline gehen, um uns mit uns selbst zu verbinden und aufzuladen.

Die Bedeutung der Pause
Pausen sind in unserer reizüberfüllten und informationsgeladenen Welt wichtiger denn je. Für unsere mentale Gesundheit wird es immer bedeutender, der Entgrenzung eigene Grenzen zu setzen und den Hörer der ständigen Erreichbarkeit ab und zu danebenzulegen. Wir brauchen Momente des Nichtstuns und der Passivität. Wir brauchen Stille, damit wir uns spüren und unsere Bedürfnisse wahrnehmen können. Wir brauchen das leise In-Uns-Eintauchen, damit etwas Kraftvolles aus uns auftauchen kann. Wir brauchen die gesellschaftliche Erlaubnis und Erkenntnis, dass Nichtstun und Ausruhen wertvoll sind. Wir brauchen eine neue gesellschaftliche Normalität aus Anspannung und Entspannung und aus Anschalten und Abschalten. Nur in einer gesunden Balance aus Tun und Pause sind wir leistungsfähig, kreativ und schöpferisch. Pause ist Teil der Arbeit. Vielleicht sogar der wichtigste. Und spätestens der Urlaub sollte die Zeit sein, in der wir mal nicht für den Rest der Welt, sondern für uns selbst da sind. Eine Zeit, in der wir uns auf uns, die Umgebung und den gegenwärtigen Augenblick besinnen. Das ist auch im Alltag wichtig, doch im Urlaub unverzichtbar.

Der Wert der Aufmerksamkeit

© Johanna Katzera

Dass wir kaum noch ohne Smartphone das Haus verlassen, es immer wieder in die Hand nehmen und länger verweilen als geplant, hat vielfältige Gründe. In jedem Fall ist diese Sogwirkung der Online-Welt nicht zufällig. Denn wir leben in einer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie, in der unsere Aufmerksamkeit zu einer Währung geworden ist. Eine gesunde Mediennutzung geht mit Selbstbestimmung und der bewussten Steuerung unserer Aufmerksamkeit einher. Doch die Entwickler*innen digitaler Dienstleistungen versuchen durch das sogenannte Addictive Design genau das Gegenteil zu bewirken. Und es funktioniert. Wir schauen ständig nach, was es in der digitalen Welt Neues gibt, bekommen scheinbar alles mit und verpassen genau dadurch doch das Wertvollste: Den gegenwärtigen Augenblick in unserem analogen Leben.
Doch der gegenwärtige Augenblick im analogen Leben ist alles, was wir haben. Wir brauchen ihn als Anker für unser persönliches Erleben. Wir brauchen die Verbundenheit zu uns selbst in all der Verbindung nach außen.
Es geht nicht darum, alle Stecker zu ziehen und unser Leben im Flugmodus zu verbringen: Es geht um eine digitale Balance, die uns den Alltag und das Miteinander erleichtert und zugleich unsere mentale Gesundheit nicht gefährdet. Es geht um ungeteilte Aufmerksamkeit, anstatt permanenter Zerstreuung. Es geht um etwas, das länger bleibt als bis zum nächsten Swipe, und darum, in der Vielfalt der Möglichkeiten, die uns von uns wegdriften lassen, wieder bei uns selbst anzukommen. Dafür müssen wir die digitalen Geräte nicht radikal aus unserem Leben verbannen. Im Gegenteil: Wir müssen sie richtig nutzen lernen.

Das vierte Buch von Johanna Katzera beschreibt die Anziehung digitaler Medien, stärkt das Bewusstsein für den Wert unserer Aufmerksamkeit und gibt Anregungen für eine gesunde Nutzung. Das Thema „Digitale Balance“ ist Bestandteil ihrer Seminar- und Wanderwoche „Achtsamkeit und positive Lebensgestaltung“ auf Sylt.
Weitere Informationen und Bestellmöglichkeit auf der Website der Autorin: www.einfachachtsam.de.

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