© Constanze Flamme

Inselkünstlerin

Constanze Flamme

Sylt - Porträt(s) einer Insel ist ein visueller Fotoessay über die Insel, vielmehr im Bereich des Metaphorischen verortet als in der reinen Dokumentation. Eine Spurensuche, die vielleicht stellvertretend mit dem Bild eines Globus beginnt, der lange in der Stadtbibliothek stand und an der Stelle, an der Sylt zu sehen sein sollte,  die Spur unzähliger Berührungen zeigt. Was wird sichtbar, wenn ein Mythos bereits überzeichnet ist? Eine Reise zu einem Ort der Kindheit mit dem Blick der Reisen in der Welt.

Vom 2.-23.08. zeigen die Sylter Kunstfreunde Arbeiten der diesjährigen Inselkünstlerin, der Fotografin Constanze Flamme aus Berlin, die ihre Arbeit wie folgt umschreibt:

„It can never be fully predicted how someone or someplace will ever really take hold of you.“ - Es kann niemals vorhergesehen werden wie jemand oder ein Ort einen in den Bann zieht... so begann der Textbeitrag von einem befreundeten Schreiber damals in 2011, als ich die Folgen der Ölkatastrophe in Lousiana für mein Diplom dokumentiert habe - ein Porträt von Landschaft und Menschen, die in den betroffenen Küstenregionen leben. Dorthin bin ich gereist aus Liebe zum Meer. Wenig Budget, nicht wissend, was mich erwartet - und dann eine Landschaft, die mich an die Marschlandschaften in Nordfriesland erinnert hat.

Der Geruch von Salzwasserwiesen. Eine gefühlte Heimat in der Ferne. 2020 hätte ich mit einer erneuten Projektförderung dorthin wieder zurückreisen können. 10 Jahre nach der Explosion der Deepwater Horizon. Ich mag Langzeitprojekte, - wenn sich die Zeit in die Arbeit einschreibt. Nicht schnelle Bilder, sondern langsame Beobachtung. Dann kam Corona - und stattdessen die Einladung zur Inselkünstlerin. Also zurück in die Heimat Nordfriesland, auf die Insel. Auch ein Ort am Meer, der sicher seit Kindesbeinen genau die Liebe zum Meer mitgeprägt hat, die mich nach Louisiana geführt hat. 2006 - vor 15 Jahren - hielt ich das erste Mal eine Hasselblad Mittelformatkamera in meiner Hand und reiste damit von Berlin nach Nordfriesland um die Heimat zu betrachten und nach Sylt. Im Appendix sind vier Motive zu sehen, die damals entstanden sind. Und auch, wenn die fotografische Sprache sich in den Jahren vielleicht etwas verändert hat, durch das Digitale verdichtet hat, sehe ich noch immer die prägenden Momente in meiner Fotografie: das Absurde und Architektur (Zirkuswagen auf der Wiese), Menschen (Porträt), das Poetische des Alltäglichen (Fußballplatz in den Dünen) und Atmosphären, die wie Bühnen scheinen (Deich List).

Constanze Flamme
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Constanze Flamme
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„It is the beauty of human interaction, of the day to day magic some ignore, or worse, have forgotten exists, much less believe“ „Es ist die Schönheit der menschlichen Interaktion, der tagtäglichen Magie, die manche ignorieren, oder schlimmer, vergessen haben, dass sie existiert, noch daran glauben“ folgt der Text von Nathan Murphy. Und auch hier sehe ich wie passend der Satz den Beweggrund der Fotografie beschreibt. Von Berlin aus recherchierend habe ich versucht den Inselbesuch vorzubereiten, in einem Jahr, das uns eher in den virtuellen Raum als in den richtigen Raum hat reisen lassen. Statt der Magie des Passieren Lassens, der Versuch die Arbeit vorzubereiten. Das weniger gesehene Sylt? Was ist den Bildern der vielfach fotografierten Insel hinzuzufügen? Recherchen führten zu Geschichten und Gerüchten wie Görings vergoldeten Dolch, geschenkt von Mussolini (scheinbar widerlegt), der am Morsum Kliff verloren ging und zur Geschichte der Insel. Aber werden das Bilder, die ohne viel Text auskommen? Umnutzungen der Bunker? Das unterirdische Sylt und dabei nicht der Weinkeller der Sansibar. Im August 2020 dann die erste Recherche-Reise auf die Insel, zu der Zeit die Kamera in der Reparatur aber mit dem Ziel Nord, - und Südspitze zu umrunden um von dort wieder die Insel zu verstehen. Auf dem Rad, zu Fuß und hier und da noch in kurzen Abschnitten Trampen. „The beauty of human interaction.“ Zwischen den vorbeifahrenden SUVs gibt es immer wieder herzliche Begegnungen mit Insulanern. Es gibt sie noch. „It can never be fully predicted how someone or someplace will ever really take hold of you.“

Und da hat mich die Insel wieder, zuerst ihr Duft. Das Dünengras und die Heckenrose; der Duft ist aber schwierig zu fotografieren. Barfuß im Sand und auf den Holzbohlen der Stege durch die Dünen mit diesem Geruch gibt es wieder diese Heimat, die so tief verankert ist, wie sie auch der Geschrei von Möwen in Berlin auslöst. Schwerhängender blaugrauer Himmel, die Feuchtigkeit in der Luft, das Flattern des Strandkorbtextils, der Geruch und das Geräusch von dem Bezug und der Sprung ins Meer, der Moment danach, wenn das Wasser noch sehr kalt ist - und das Bad in einen entrückten Zustand, nahezu Rausch, versetzt. Wenn die Luft klamm wird, aber das Gemüt leicht. Von einem Tag am Meer. Ich denke „betrunken von der Insel“ und lese wenig später ein Zitat von einem der deutschen Schrifstellern der Moderne, die die Insel besuchten. Wurde auch schon so gesagt. Der Name ist entfallen, aber nicht das Gefühl. Also genau dort an einem Ort, den ich schon lange kenne, wie kann ich etwas zu den Bildern der Insel beitragen? Sie ist mir nicht fremd. Mit den Projektreisen der letzten Jahre, den aktuellen zeitgenössischen Fragestellungen schaue ich als Inselkünstlerin im Auftrag anders auf die Insel.

Das weniger sichtbare, oder das weniger dargestellte Sylt. Mir fallen die Schwarzen MitbürgerInnen auf, als Pulsschlag der Gastronomie und Serviceindustrie, aber wenig sichtbar im Bildmythos der Insel. Im Internet stoße ich auf einen Artikel von Ambroise Gaglo und er spricht das aus, was ich meine zu sehen. Gleichzeitig führen die Recherchen zu den Inselorten mit Südsee-Referenzen Sansibar, Samoa, Abessinien und Klein-Afrika. Die Orte im Sprachgebrauch fest verankert, die Menschen im Straßenbild nur peripher sichtbar. Es entsteht eine Zusammenarbeit mit der African Community Nordfriesland unter großzügiger Unterstützung von Ambroise Gaglo, Welchen Beitrag kann Fotografie leisten; welche Sehgewohnheiten verändern, - oder dazu einladen? „The beauty of human interaction.“ Langsam lasse ich los von den erdachten Bildern und lasse wieder diese passieren, die passieren, wenn man sich auf den Weg macht. Wenn das Licht doch noch einmal kurz aus wolkenverhangenem Himmel hervortritt und die Architektur umreißt. Wenn Bilder entstehen während man eigentlich auf dem Weg zu einer anderen Idee ist. Wenn von der Mitfahrt mit den Listern Austernfischern ein unerwartetes Bild wiederum metaphorisch für etwas ganz Anderes stehen kann und darüber hinaus zu dem 1939 gestalteten Fenster „Lewer duad üs slaav“ in einem privaten Familienhaus führt, kurz vor Renovierung und möglichem Verlust. Wenn die Innenaufnahme vom Casino, das bald schließen wird, zu dem Globus führt, der lange in der Stadtbibliothek stand und an der Stelle an der Sylt zu sehen sein sollte die Spur unzähliger Berührungen zeigt. Eltern, die ihren Kindern gezeigt haben: hier ist die Insel. Dann ist sie wieder da, die Magie des sich Einlassens.

Constanze Flamme
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Constanze Flamme
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Aber auch die Notwendigkeit des Einstehens. Der leuchtende Fleck auf dem Globus könnte hier für terra incognita stehen, für die blinden Flecken. Und zeitgleich schreibt der Theatermacher - und Quantenphysiker - Suresh Nampuri, geboren in Bombay, aufgewachsen in London, jetzt in Lissabon lebend, einen Text zu der Arbeit, da er universell auf die Bilder schaut, und das Zitat in unserem Dialog: „The most promising words to be written on the map of human knowledge are ‚terra incognita‘- here lies uncharted territory“ (Daniel Boorstein). Territory und Insel, ein umrissenes Stück Land, auf überschaubarem Raum auch ein Mikro/Makrokosmos gesellschaftlicher Fragen. Die begonnene Porträtserie zu den Afrikanischen Familien, die auf der Insel leben, schien mir darin konsequent.

Fotografie als Ort einer möglichen Annäherung. Und gleichzeitig stellt sich für mich die Frage der Ressourcen, des Bewahrens und unserer Zukunft - nicht zuletzt sensibilisiert durch die Arbeit zu den Folgen der Ölkatastrophe als Konsequenz von grenzenlosem Ausschöpfen der Resourcen um jeden Preis, über jede Warnung erhaben. Auch dieser Diskurs ist so alt wie der Beginn des „Fremdenverkehrs“ auf der Insel. Hier und da schreibt er sich vielleicht ein in die Bilder. Schwingt er mit in der Darstellung von Jugendlichen und verortet die Arbeit statt einer reinen Dokumentation im Bereich des Metaphorischen. Ich hatte versucht mich der Insel intellektuell zu nähern, verborgenere Geschichten und Räume aufzutun, an den vielen Bildern der Insel und Mythenbildung vorbeizukommen, um letztendlich doch in mehreren Aufenthalten da anzukommen, was Sylt einen lehrt: Rüm hart - klaar kiming. Eine Insel, die wir besuchen, bewohnen, aber nicht verkaufen und konsumieren sollten. 

Die Ausstellung ist zu sehen vom 2.-23.08.2021 in der Stadtgalerie „Alte Post“ in Westerland. Mo-Fr von 14.00-17.00, Mi und Sa von 10.00-13.00 Uhr.

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Reisezeit:
08.07.2021 - 15.07.2021
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